modell vom ohr und gehörgang

Hörverlust und Demenz – können Hörgeräte helfen?

Mit zunehmendem Alter kann das Hörvermögen abnehmen. Diese sogenannte Altersschwerhörigkeit wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus und kann laut neuesten Studien ein erhöhtes Risiko für Demenz bedeuten.

Was die aktuelle Studienlage über Schwerhörigkeit und Demenz besagt und wie der renommierte Vorsorge-Experte Dr. med. Manfred Strässle zu diesem Thema steht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Inhaltsverzeichnis
  • Altersschwerhörigkeit
  • Hörverlust & Demenz
  • Hörgeräte gegen Demenz
  • Vorteile eines guten Hörvermögens

Schwerhörigkeit in Alter

frau mit altersschwerhörigkeit

Sowohl die Sehkraft als auch das Hörvermögen können mit voranschreitendem Alter abnehmen. Diese Erscheinungen sind ein natürlicher Teil des Alterungsprozesses.

Die sogenannte Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) kann Menschen ab dem Alter von 60 Jahren betreffen und entwickelt sich meist graduell über mehrere Jahre. Sie ist ein natürlicher Teil des Alterungsprozesses und kann mithilfe eines Hörtests beim HNO-Arzt diagnostiziert werden werden.

Folgende Symptome können auf eine Altersschwerhörigkeit hindeuten:

  • Hochtonschwerhörigkeit
  • Schwierigkeiten beim Sprachverstehen
  • Erhöhte Lärmempfindlichkeit
  • Ohrgeräusche (Tinnitus)

Die Behandlung einer Altersschwerhörigkeit erfolgt beispielsweise durch das Tragen von Hörgeräten, welche den altersbedingten Hörverlust ausgleichen können.

Der Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz

Die Presbyakusis ist ein Teil des natürlichen Alterungsprozesses. Doch wie hängt Schwerhörigkeit mit Demenz zusammen? Viele Studien betonen, dass Hörverlust ein bedeutender Risikofaktor für Demenz ist (1).

In einem Bericht, der im Jahr 2020 in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“ veröffentlicht wurde, wird der Zusammenhang zwischen Hörverlust und dem erhöhten Risiko für Demenz hervorgehoben (2).

Menschen mit Schwerhörigkeit haben laut des Berichtes ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken, da Schwerhörigkeit und schlechtes Sprachverstehen oft mit sozialer Isolation einhergehen.

Der soziale Rückzug aufgrund des verschlechterten Sprachverständnisses kann zu einem Mangel an kognitiver Stimulation im Gehirn führen, was wiederum das Demenzrisiko erhöhen kann. Der Bericht legt nahe, dass die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Schwerhörigkeit dazu beitragen kann, das Risiko für Demenz zu verringern.

Der Rückzug aus dem sozialen Umfeld ist eine häufige Folge des Hörverlusts und kann das Demenzrisiko erhöhen.

Bereits in den Jahren zuvor wurde der Zusammenhang zwischen Demenz und Hörverlust in Studien genauer untersucht.

Frank R. Lin et al. von der Johns-Hopkins-Universität untersuchten diesen Zusammenhang in einer Studie von 2011 mit 639 Teilnehmern und fanden heraus, dass eine statistisch signifikante Verbindung zwischen dem Schweregrad eines Hörverlusts und dem Demenzrisiko besteht (3).

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2012 von John Gallacher et al. bestätigte anhand von 1057 Teilnehmern, dass Hörverlust und Demenz einen Zusammenhang zu haben scheinen (4). Sie betonten, dass das Hörvermögen und die Fähigkeit zur Verarbeitung komplexer Geräusche wichtige Faktoren für das Demenzrisiko sind.

In Kürze:

Alle Studien legen nahe, dass die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Hörverlust im Alter dazu beitragen können, das Demenzrisiko zu reduzieren und die geistige Gesundheit zu fördern. Hier kommen Hörgeräte als potentiell geeignete Maßnahme ins Spiel.

Allgemeinmediziner Dr. Strässle über die Vorteile eines guten Hörvermögens

Dr. med. Manfred Strässle ist seit 30 Jahren als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Früherkennung in München tätig. Er hat ein eigenes Check-up-Verfahren entwickelt und erläutert im Video die im „The Lancet Public Health Journal“ veröffentlichte Studie aus dem April 2023.

Er betont, dass Hörgeräte eine geeignete Maßnahme bei altersbedingtem Hörverlust sein können – und warum ein gutes Hörvermögen wie ein natürliches Anti-Aging-Mittel für die mentale Gesundheit wirkt.

Hörgeräte als Vorbeugung gegen Demenz?

Im Februar 2023 wurde eine Analyse in „The Lancet Public Health“ veröffentlicht, welche die Beziehung zwischen der Behandlung von Hörverlust, insbesondere durch Hörgeräte, und kognitivem Abbau oder Demenz untersuchte. Sie basierte auf 25 Beobachtungsstudien und sechs klinischen Studien.

Die Ergebnisse dieser Analyse zeigten, dass Menschen mit Hörverlust, die Hörgeräte verwenden, ein um 19 % geringeres Risiko für kognitiven Abbau und ein um 17 % geringeres Risiko für Demenz haben – im Vergleich zu Personen, die ihren Hörverlust nicht behandeln lassen (5).

Eine der neueren Studien über den positiven Einfluss von Hörgeräten auf das Demenzrisiko wurde ebenfalls in „The Lancet Public Health“ im April 2023 veröffentlicht (6). Sie zeigt auch, dass Menschen mit Hörverlust, die keine Hörgeräte verwenden, ein erhöhtes Risiko für allgemeine Demenz aufweisen, während bei Menschen mit Hörverlust und Hörgeräten kein erhöhtes Risiko festgestellt wurde.*

In der wohl aktuellsten Studie, die im Juli 2023 in derselben Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, nahmen ältere Menschen aus zwei Teilnehmergruppen mit unbehandeltem Hörverlust teil (7). Die Teilnehmer der ersten Gruppe waren gesund, während die Teilnehmer der zweiten Gruppe älter waren und mehr Risiken für den kognitiven Abbau aufwiesen. Daraufhin wurden sie gleichmäßig aufgeteilt und erhielten per Zufallsprinzip eine Hörtherapie mit Beratung und Hörgeräten oder eine Gesundheitsberatung zur Prävention chronischer Krankheiten.**

Nach drei Jahren und einer gründlichen Überprüfung der Ergebnisse wurde festgestellt, dass sich die Hörtherapie mit Hörgeräten positiv auf die Gruppe derer auswirkte, die vorab bereits ein erhöhtes Risiko für kognitiven Abbau aufwies. Bei der Gruppe der gesunden Teilnehmer gab es keinen nachweislichen Effekt.

Eine frühzeitige Hörgeräteversorgung bietet demnach nicht nur eine Lösung gegen Altersschwerhörigkeit, sondern kann laut der Studie indirekt dazu beitragen, das Risiko für Demenz zu verringern und sozialer Isolation positiv entgegenzuwirken.

Zufriedenheit mit Hörgeräten in typischen Alltagssituationen

infografik über zufriedenheit mit hörgeräten

Hörgeräte bieten in verschiedenen Alltagssituationen und Lebensbereichen viele Vorteile. Eine hohe Zufriedenheit ist laut der EuroTrak Hörstudie von 2022 vor allem in Einzelgesprächen gegeben.

Die aktuelle Studienlage zusammengefasst:

Die Studien zeigen, dass die Verwendung von Hörgeräten bei Menschen mit Hörverlust mit einem verringerten Risiko für kognitiven Abbau und Demenz verbunden ist. Eine frühzeitige Hörgeräteversorgung kann unter anderem dazu beitragen, das Demenzrisiko zu verringern und sozialer Isolation entgegenzuwirken.

Fazit: Hörverlust und Demenz

Die Studienlage zeigt, dass Hörgeräte für Menschen mit Hörverlust eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Demenz spielen können. Vorurteile über Hörgeräte sorgen jedoch weiterhin dafür, dass der Hörverlust von vielen Betroffenen unbehandelt bleibt. Die Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“ betont in einem Artikel von Mai 2023, wie wichtig die Aufklärungsarbeit von Fachleuten und Ärzten zur Beseitigung der Vorurteile ist. (8). Ein gutes Hörvermögen kann das mentale, emotionale sowie körperliche Wohlbefinden steigern und zu einer besseren Lebensqualität beitragen.

Hörgeräte können einen Hörverlust bei frühzeitiger Diagnose fast vollständig ausgleichen und den Stress in alltäglichen Gesprächssituationen reduzieren. Verbesserter Schlaf und eine höhere Sicherheit im Alltag sind weitere Vorteile, die für die Nutzung eines Hörgeräts sprechen.

Im Video erklärt Dr. med. Manfred Strässle die Vorteile eines guten Hörvermögens auf die ganzheitliche Gesundheit.

Bemerken auch Sie eine Hörminderung im Alltag – z.B. beim Fernsehen schauen oder im Restaurant? Dann lassen Sie sich von den audibene Hör-Experten in einem persönlichen Telefongespräch beraten und testen Sie moderne Hörgeräte kostenlos im Alltag. Sie werden feststellen, wie diese kleinen Technikwunder Ihr Hörerlebnis bereichern können.

Quellen

(1): Ballasch, I., De Kruif, A., Hendel, M., Rohr, C., Brünecke, I., Kalbe, E., Völter, C., Kessler, J. (2023). O-DEM: ein neues kognitives Screening bei Schwerhörigkeit. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00106-023-01293-y.pdf

 

(2) Livingston, G., Huntley, J., Sommerlad, A., Ames, D., Ballard, C., Banerjee, S., Brayne, C., Burns, A., Cohen-Mansield, J., Cooper, C., Costafreda, S., Dias, A., Fox, N., Gitlin, L., Howard, R., Kales, H., Kivimäki, M., Larson, E., Ogunniyi, A., Ortega, V., Ortega, V., Ritchie, K., Rockwood, K., Sampson, E., Samus, Q., Schneider, L., Selbaek, G., Teri, L., Mukadam, N. (2020). The Lancet-Commissions: Dementia prevention, intervention, and care.

https://www.thelancet.com/article/S0140-6736(20)30367-6/fulltext

 

(3) Lin, F., Metter, E., O’Brien, R. (2011). Hearing Loss and Incident Dementia.

https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/802291

 

(4) Gallacher, J., Ilubaera, V., Ben-Shlomo, Y., Bayer, A., Fish, M., Babisch, W., Elwood, P. (2012). Auditory threshold, phonologic demand, and incident dementia.

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23019269/

 

(5) Livingston, G., Costafreda, S. (2023). Preventing dementia through correcting hearing: huge progress but more to do.

https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(23)00058-0/fulltext

 

(6) Jiang, F., Mishra, S., Shrestha, N., Ozaki, A., Virani, S., Bright, T. (2023). Association between hearing aid use and all-cause and cause-specific dementia: an analysis of the UK Biobank cohort.

https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(23)00048-8/fulltext

*Zur Methode: In dieser Studie wurden bestehende Daten aus der UK Biobank, einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie, ausgewertet. Dabei wurden zwischen 2006 und 2010 Erwachsene im Alter von 40-69 Jahre in 22 Zentren in England, Schottland und Wales untersucht. Es gilt zu beachten, dass die Daten der Studie nicht doppel-blind ausgewertet wurden und somit das Maß an Objektivität unklar bleibt.

 

(7) Lin, F., Pike, J., Albert, M., Arnold, M., Burgard, S., Chisolm, T., Couper, D., Deal, J., Gorman, D., Glynn, N., Gmelin, T., Gravens-Mueller, M., Hayden, K., Huang, A., Knopman, D., Mitchell, C., Mosley, T., Pankow, J., Reed, N., Sanchez, V., Schrack, J., Windham, G., Coresh, J.

(2023). Hearing intervention versus health education control to reduce cognitive decline in older adults with hearing loss in the USA (ACHIEVE): a multicentre, randomised controlled trial.

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(23)01406-X/fulltext

**Zur Methode: Für diese sogenannte ACHIEVE-Studie wurden Erwachsene im Alter von 70 bis 84 Jahren mit unbehandeltem Hörverlust in den USA rekrutiert, die keine erhebliche kognitive Beeinträchtigung aufwiesen. Die Studie untersuchte zwei verschiedene Teilnehmergruppen: ältere Erwachsene, die an einer langjährigen Beobachtungsstudie zur Herz-Kreislauf-Gesundheit (ARIC-Studie) teilnahmen, sowie gesunde Freiwillige. Die Teilnehmer wurden zufällig entweder einer Hörtherapie in Form einer audiologischen Beratung und Bereitstellung von Hörgeräten oder einer professionellen Gesundheitsberatung mit halbjährlichen Folgeterminen zur Prävention chronischer Krankheiten zugeteilt. Von insgesamt 3004 Teilnehmern wurden 977 zufällig ausgewählt, wobei 238 aus der ARIC-Gruppe und 739 aus der gesunden Teilnehmergruppe kamen. Die Teilnehmer aus der ARIC-Studie waren älter, wiesen mehr Risikofaktoren für kognitiven Abbau auf und hatten niedrigere Ausgangswerte für kognitive Fähigkeiten als die gesunden Teilnehmer. Sie wurden gleichmäßig in zwei Gruppen aufgeteilt und erhielten entweder die Hörtherapie oder die Gesundheitsberatung.

 

(8) The Lancet Public Health. (2023). Addressing hearing loss at all ages

https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(23)00083-X/fulltext

geschrieben von:
Dr. med. Manfred Strässle
Facharzt für Allgemeinmedizin

Dr. med. Manfred Strässle ist renommierter Facharzt für Allgemeinmedizin und widmet sich seit über 30 Jahren der Vorsorgeuntersuchung. Er hat eine eigene Check-up-Behandlung entwickelt und erkannt, wie wichtig ein gutes Hörvermögen für die ganzheitliche Gesundheit ist.